Postsäkulare Kunst?

Milena Bartlová, Dominik Duka OP,
Alois Kölbl, Jaromír Novotný und Josef Pleskot
Refektorium des Dominikanerklosters St. Ägidius in Prag
Eingang Jilská Strasse 7a
Montag 20. Mai 2013, 19:30 Uhr

Anlässlich des Erscheinens der aktuellen Ausgabe der Ökumenischen Zeitschrift „Kunst und Kirche“ (Springer Verlag Wien-New York), die ganz dem Thema der zeitgenössischen Kunst, Spiritualität und Religion in Tschechien gewidmet ist, findet ein Diskussionsabend mit außergewöhnlichen Gästen statt. Der Einladung folgten der Prager Erzbischof Dominik Kardinal Duka OP, der österreichiche Kunsthistoriker und Priester Alois Kölbl, Jaromír Novotný, einer der interessantesten jungen tschechischen Künstler und der wohl bekannteste tschechische Architekt Josef Pleskot. Garantin für vielleicht überraschende Perspektiven ist auch die Moderatorin des Abends, Prof. Milena Bartlová, eine der herausragendsten Spezialistinnen für mittelalterliche Kunst, die sich aber darüber hinaus auch für zeitgenössische Kunst und deren gesellschaftspolitische Rolle interessiert und halbvergessene Zusammenhänge zwischen heute und der scheinbar überwundenen Vergangenheit aufdeckt.

Das Heft von Kunst und Kirche 1/ 2013 (Springer Wien New York) trägt den Untertitel Postsäkular: Zum Beispiel Tschechien“. Die Redakteure der Nummer Alois Kölbl aus Graz und Norbert Schmidt aus Prag stellen die Frage, wie das Verhältnis von zeitgenössischer Kunst und Spiritualität, Religion und Kirche in einem postkommunistischen Land aussieht, das als eines der am weitesten säkularisierten Länder der Welt gilt. Als Methode wählten sie punktuelle Sondierungen einzelner, spezifischer Phänomene, die sie an ausgesuchten Beispielen festzumachen versuchen. Entstanden ist kein flächendeckender Überblick oder eine Gesamtbilanz, sondern lebendige Schlaglichter in Form von Interviews und Einzelportraits. Auf die Darstellung und Bewertung des Phänomens der Kategorie „mittelmäßige kirchliche Kunst“ wurde bewusst verzichtet.

In das komplizierte Verhältnis von Staat und Religion in Tschechien führt ein ausführliches Doppelinterview mit dem Prager Erzbischof Dominik Kardinal Duka OP und dem auch im Ausland bekannten tschechischen Theologen und Soziologen Tomáš Halík. Die Kunsthistorikerin Milena Bartlová zeigt die heutige, durch die Vergangenheit belastete Gegenwart an Hand zweier öffentlichen Debatten: die Eigentumsverhältnisse der St. Veitskathedrale und die Erneuerung der Mariensäule auf dem Prager Altstädter Ring. Pavla Pečinková zeigt, dass auch „hinter Gottes Rücken“ in einer anti-religiösen Zeit im kommunistischen Regime höchst qualitätvolle Werke mit hohem spirituellem Gehalt entstanden. Rostislav Koryčánek aus Brünn fragt nach „Gott in der Kunst in einem gottlosen Land“ nach 1989 und findet überraschende Antworten. Die drei Porträts von so unterschiedlichen Künstlern wie Adriena Šimotová, Jan Knap und Jaromír Novotný, den Stefan Kraus, der Direktor des Kölners Kunstmuseums Kolumba vorstellt, werfen Blitzlichter auf die Breite und Vielfalt der heutigen tschechischen Kunstszene. Das Interview mit Adriena Šimotová, die offen darüber redet, wie das Alter, Krankheiten und daraus resultierende Einschränkungen ihr neue künstlerische Wege eröffneten, gehört bestimmt zu den Höhepunkten des Heftes. Die Projekte in der Akademikerkirche St. Salvator (Klára Jelínková), das Trappistenkloster Nový Dvůr (Norbert Schmidt), die neue Kirche der Tschechischen Brüder in Litomyšl (Petr Volf), oder das Zentrum „Dominikanska 8“ (Benedikt Mohelník OP), die AP Galerie von Josef Pleskot und die Galerie „Auf Wiedersehen“ bei Volyně (Jan Freiberg) zeigen einen überraschend hohen Standard, wie man die Themenfelder Kunst, Spiritualität und Religion auf hohem Niveau bearbeiten kann. Die Vorstellung der zerstörten Kapelle in Liběchov (Petr Tej) und der künstlerischen Intervention von Studenten der Prager Kunstakademie am Ende der Ausgabe rufen die weiten gesellschaftlich, kulturell und religiös verwüsteten Gebiete in Erinnerung; diese belastende Realität ist leider auch untrennbar mit der Tschechischen Republik verbunden.

Man könnte vielleicht abschließend sagen, dass in Tschechien eine neue Generation heranwächst, die sich unbefangen (manchmal kritisch, ironisch, manchmal scheu, aber auch intensiv und mit existentieller Dringlichkeit) wieder religiösen Themen zuwendet. Was das alles für die Zukunft bedeuten könnte, können wir heute nur erahnen. Vielleicht könnte es darum gehen, was die bunte Luftballonwolke des Koreaners Choi Jeonghwa in der ehemaligen Jesuitenkirche St. Salvator in Prag implizit andeutet: um Entschwerung historischer Altlasten und Eröffnung ganz neuer Perspektiven.

Die Ausgabe von „Kunst und Kirche“ über Tschechien entstand in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Theologie und Kunst an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag.

Der Diskussionsabend mit der Präsentation der Zeitschrift „Kunst und Kirche“ wurde in Zusammenarbeit mit der Plattform Dominikánská 8, Zentrum für Theologie und Kunst und der Monatszeitschrift Art&Antiques organisiert.